Stell dir vor, die Welt wäre anders als du sie heute kennst. Stell dir vor, etwas für dich völlig selbstverständliches wäre von heute auf morgen einfach nicht mehr da. Und würde nicht zurückkommen. Stell dir vor, du müsstest jeden Tag etwas von dieser Welt verbannen, nur damit du weiterleben kannst.
Genau das passiert dem Protagonisten in “Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden”. Ich bin durch das hübsche Cover und den zuerst recht witzig klingenden Titel auf das Buch aufmerksam geworden. Die letzte Seite des Buches habe ich vorhin gelesen und muss nun sagen: Der Titel täuscht. Er trifft zwar das, was im Buch unter anderem behandelt wird, lässt dieses wundervolle kleine Büchlein aber unter seinem Wert erscheinen.
Aber halt, ganz langsam. Worum geht es eigentlich?
“Ein junger Briefträger erfährt überraschend, dass er einen unheilbaren Hirntumor hat. Als er nach Hause kommt, wartet auf ihn der Teufel in Gestalt seines Doppelgängers. Er bietet ihm einen Pakt an: Für jeden Tag, den er länger leben möchte, muss eine Sache von der Welt verschwinden. Welche, entscheidet der Teufel. Der Briefträger lässt sich auf dieses Geschäft ein. Am Tag darauf verschwinden alle Telefone. Am zweiten Tag die Filme, am dritten alle Uhren. Als am vierten Tag alle Katzen verschwinden sollen, gebietet der Briefträger dem Teufel Einhalt. Und macht etwas völlig Überraschendes.
Genki Kawamura stellt in seinem Roman, von dem in Japan über eine Millionen Exemplare verkauft worden sind, die einfache Frage: Was macht ein gutes und erfülltes Leben aus?”
Soviel zur Verlagsbeschreibung des Buches. Das Buch startet auf ganz leichte Art und Weise und man lernt Aloha kennen – den Teufel. In Hawaiihemd mit Delfinprint, kurzen Hosen und mit Sonnenbrille. Und dann beginnt der Pakt. Es verschwinden am ersten Tag alle Telefone, dann die Filme, dann die Uhren. Der Briefträger lebt Tag für Tag weiter – und nimmt anderen die Dinge, die in unserem Leben fest verankert sind.
Wie würde sich dein Leben verändern, wenn du kein Telefon mehr hättest? Dein alltäglicher Begleiter, das Smartphone, plötzlich weg wäre? Wie würdest du den Kontakt zu alten Freunden und deiner Familie halten? Welchen Film würdest du dir ansehen, wenn du wüsstest, dass es der letzte ist, den du je sehen wirst? Deinen Lieblingsfilm? Oder einen, den du mit schönen Erinnerungen mit anderen verbindest? Wie würde unser Tag aussehen, wenn es keine Uhren mehr gibt? Du morgens nach dem aufwachen nicht auf die Uhr schauen könntest, dir jegliche Orientierung in der Zeit fehlt?
All diese und noch mehr tiefgehende Fragen wirft das Buch in der Erzählung auf. So banal und locker, wie einem die Geschichte zunächst scheint, so mitreißend wird sie im Verlauf. Der Protagonist durchlebt durch seinen bevorstehenden Tod zahlreiche Gefühlskrisen, besinnt sich aber genau dadurch auf das Wesentliche: Was ist wichtig im Leben? Was hätte er anders gemacht, hätte er früher die Chance dazu bekommen? Hätte er etwas an der Beziehung zu seiner Exfreundin sowie Vater und Mutter ändern können?
Zwei wichtige Gefährten und Figuren in der Geschichte sind tatsächlich Eissalat und Weißkohl – die zwei Katzen im Leben des Briefträgers. Katzen spielen also in der Tat eine wichtige Rolle im Buch – aber alles, was die Geschichte sonst noch auszeichnet, geht so viel weiter und tiefer als nur das.
Ich habe das Buch recht schnell beenden können – es eignet sich super dafür, es in einem Rutsch zu lesen, da es mit 192 Seiten nicht allzu umfangreich ist. Aber das, was man aus diesem schmalen Buch mitnimmt, vergisst man definitiv nicht. Eine ehrliche Leseempfehlung für einen gemütlichen Sonntag zuhause.
“Die Katzen brauchen uns nicht. Wir brauchen sie.”
(Genki Kawamura)
Genki Kawamura
“Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden”
Erscheinungstermin: 23. April 2018
192 Seiten, 12,5 x 20,0 cm
Random House Verlag
Ich habe den Titel des Buches schon einige Male gelesen, dachte aber irgendwie immer, es handelt sich dabei um eine lockere Geschichte für zwischendurch. Aber deine Rezension hat mich echt neugierig gemacht! 🙂
Autor
Ich war auch einfach nur positiv überrascht und kann es dir sehr empfehlen! 🙂